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Henning Köhler 2Bericht von Henning Köhlers Vortrag am 14.7.2016 an der Freien Waldorfschule Isartal in Geretsried von Martina Backhaus, Resort Schulentwicklung und Mutter an der Schule.

Über den grundlegenden Unterschied zwischen freiheitlicher und manipulativer Pädagogik

Erziehung zur Autonomie und nicht zur Anpassung Anpassung – so beschreibt Henning Köhler kurz und prägnant den elementaren Auftrag der Pädagogik.

Ca. 180 Besucher haben an diesem Abend in die Aula unserer Schule gefunden. Nach der Einführung von Dr. Ingo Christians, der Henning Köhler für seine pointierten Kolumnen zu unterschiedlichsten Themen in der Erziehungskunst würdigt, betritt Henning Köhler die Bühne und hätte sich eigentlich für seinen Vortag eher einen Kreis gewünscht. „Ihr seid ja alle im Dunkeln und ich kann Euch nicht sehen.“ In seiner langjährigen therapeutischen Beratungstätigkeit ist der Blickkontakt zum Menschen eine der wichtigsten Voraussetzungen zum gegenseitigen Verstehen. Eines wird aus seinen vielen Geschichten, Beobachtungen und Erkenntnissen sofort klar, er drängt sich nicht auf, er ist einfach da, hört zu und versteht.

Der junge Mensch soll die Autorenschaft für seinen eigenen Lebensweg ergreifen und entwickeln lernen. In diesem Sinne beantwortet er die Frage, ob Rudolf Steiner heute noch zeitgemäß ist eindeutig mit einem „Ja“: Erziehung ist auf jeder Stufe die Selbsterziehung des Menschen.

Dieses radikale freiheitliche Verständnis von Pädagogik hat nur Rudolf Steiner, so Henning Köhler. Wir sollen nicht am Kind herum erziehen, sondern mit einem Vertrauensimpuls seinen Weg begleiten und fördern. Mit jeder pädagogischen Absicht vergiften wir etwas im Kind. Das versteht er unter manipulativer Pädagogik. Wir können auch gar nicht in die Zukunft des Kindes hineinregieren, so gut unsere Absichten auch sein mögen. Der Erfolg unserer Methoden ist in jedem Falle eins, nämlich ungewiß.

„Wir müssen den Kopf entrümpeln!“. Die auf funktionalen Absichten basierenden Erziehungsmethoden sollen wir ersetzen durch die bedingungslose Liebe zum Kind. Jedes Kind hat ein Recht auf den heutigen Tag. Und jeden heutigen Tag sollten wir mit ihm gemeinsam feiern.

Der Schule kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie Abschlüsse herstellt, die den Weg zur Teilhabe an den Arbeitsprozessen öffnen. Unter dem Weg zu diesen Abschlüssen, z.B. zum Abitur, leiden viele Kinder. Angststörungen, die sich in unterschiedlichsten Symptomen wie Bauchschmerzen und auch Drogen- oder Medikamentenkonsum zeigen, sind zumeist die Ursache für den Wunsch nach einer therapeutischen oder heilpädagogischen Begleitung. Dabei ist für Henning Köhler besonders wichtig, das Kind so zu nehmen wie es ist und ihm einen Raum zu bieten, der nichts von ihm fordert. Er fragt nach dem was das Kind braucht.

„Die Schule tut immer noch so als ob sie wichtig wäre.“ Wichtiger als der junge Mensch? Was sollte Schule also sein? Die Schule soll ein Lebensraum für den jungen Menschen sein und kein Selbstzweck. Die pädagogische Aufgabe besteht vor allem darin in diesem Lebensraum ein soziales Wärmefeld zu gestalten. Das Interesse am anderen Menschen ist die Basis für eine gelingende Gemeinschaft. Dieses Interesse sollte im Lehrplan stehen.

Viele der Erkenntnisse Rudolf Steiners sind heute von der Neurobiologie bestätigt worden – rund 100 Jahre nach ihrer Veröffentlichung. Eins davon ist die elementare Bedeutung des Spiels für den Lernerfolg. Wenn Kinder frei spielen können, dann sind sie in der Lage ihr schöpferisches Potential zu entfalten. Im Spiel lernen Kinder gesund. Hausaufgaben z.B. tragen dagegen nicht zum Lernerfolg bei, dies ist in Metastudien nachgewiesen worden.

Die Pädagogik vom Kind aus begreifen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen- dies ist das Herzensanliegen von Henning Köhler. Vier Säulen sind für die Ausbildung von stärkenden Ressourcen zentral

    Leibvertrauen – basierend auf einer ausgebildeten Sinneswahrnehmung und Naturerfahrung

    Sozialvertrauen – gemeinsames Leben miteinander gestalten

    Gestaltungsvertrauen- Schule als Kunstraum und Werkstatt für die Gestaltung einer Fülle von Möglichkeiten

    Zukunftsvertrauen – der innere Glaube an eine gelingende Zukunft

Wenn dieses Vertrauen auf allen vier Feldern vom Menschen aufgebaut werden kann, dann kann er seine inneren Kräfte zur Entfaltung bringen.

Und welche Kräfte und Kompetenzen brauchen unsere Kinder in der Welt von Morgen? Viele Wirtschaftsunternehmen beklagen die mangelnde Entscheidungsfähigkeit und Orientierungslosigkeit von heutigen Hochschulabsolventen. Angepasste und gleichförmige Menschen kommen aus dem Schulsystem und aus den inzwischen verschulten Studiengängen. Aus Mangel an der Fähigkeit zur Selbststeuerung erwarten die jungen Menschen Führung und Anweisungen.

Deshalb sollten Ideen und Utopien Bestandteile von Lehrplänen sein um das freie Denken zu lernen - wenn es denn unbedingt erforderlich ist Lehrpläne zu haben.

Wir bedanken uns für diesen schönen inspirierenden Abend bei Henning Köhler!

Foto: © Simon Schmieder (7. Klasse)

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